Humboldt-Universität zu Berlin - Prof. Dr. Ulrike Lembke

Humboldt-Universität zu Berlin | Juristische Fakultät | Prof. Dr. Ulrike Lembke | Lehre | WiSe 2021/2022 | SE Reproduktive Rechte und reproduktive Gerechtigkeit

Reproduktive Rechte und reproduktive Gerechtigkeit

Lehrende:

Prof. Dr. Ulrike Lembke

Ort & Zeit:

Do, 10.00 - 12.00 Uhr, DOR24 Raum 2.102

Kurzbeschreibung:

150 Jahre nach Inkrafttreten des Reichsstrafgesetzbuches und damit den strafrechtlichen Regelungen zum Schwangerschaftsabbruch in §§ 218 ff wird in Deutschland wieder lebhaft über Fragen reproduktiver Rechte diskutiert. Die Themen und Perspektiven sind vielfältig: Ein wesentlicher Auslöser gesellschaftlicher und rechtspolitischer Debatten war die Diskussion um § 219a Strafgesetzbuch, der die „Werbung“ für Schwangerschaftsabbrüche und damit auch jede Sachinformation durch Ärzt*innen hierüber unter Strafe stellt. Doch auch die Frage gewaltfreier Geburten und die Hebammenkrise, die fehlende Kinderfreundlichkeit in der Gesellschaft und der wachsende Gender Care Gap betreffen Aspekte reproduktiver Rechte. 

Seit Jahren wird gefordert, die Möglichkeit der Sterilisation von Frauen* mit Lernschwierigkeiten (sog. geistige Behinderung) ohne ihr Einverständnis zu verhindern, nicht-schädigende Verhütungsmittel zur Verfügung zu stellen und Familienassistenz zu garantieren. Geschlechtsanpassende Operationen an Inter*-Kleinkindern werden auch deshalb kritisiert, weil sie regelmäßig mit dem Verlust der Fortpflanzungsfähigkeit verbunden sind, und es wird Entschädigung für Trans*-Personen gefordert, die bis 2011 für einen Personenstandswechsel ihre Fortpflanzungsunfähigkeit nachweisen mussten. Verhütung ist weiterhin ein „Frauenproblem“ und der Zugang zu gesunden und kostenlosen Verhütungsmitteln meist so wenig garantiert wie ein diskriminierungsfreier Sexualkundeunterricht. 

Der diskriminierungsfreie Zugang zu Informationen, Dienstleistungen, medizinischen Einrichtungen, Hilfsmitteln, Verhütung oder Reproduktionsmedizin wird als Teil reproduktiver Rechte gefasst. Diese sollen die reproduktive und sexuelle Gesundheit sichern und werden auf internationaler Ebene u.a. im Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (ICESCR), im Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (CEDAW) und in der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) festgehalten. 

Auch wenn das Seminar auf Fragen reproduktiver Rechte in Deutschland fokussiert ist, lassen sich diese nicht von globalen Zusammenhängen wie einer globalisierten Reproduktionsindustrie oder globalen Bevölkerungspolitiken trennen. Und sie sind im Sinne einer reproduktiven Gerechtigkeit intersektional zu denken, denn auch ohne explizite Regelungen ist mehr als deutlich, wer Kinder bekommen soll (weiße Akademikerinnen und Mittelschicht) und wer nicht (Menschen mit Behinderungen oder Flucht- oder Migrationsgeschichte oder niedrigem sozio-ökonomischem Status usw), wer über den weiblichen Körper entscheiden darf (und wer nicht) und welche Bedeutung oder welchen Preis die eigenen reproduktiven Kapazitäten haben.  

Im Seminar werden wir uns mit Fragen reproduktiver Rechte in Deutschland in intersektionaler Perspektive und mit globalen Bezügen beschäftigen und uns auch der Frage nähern, was reproduktive Gerechtigkeit bedeuten könnte.

Organisatorisches:

Das Seminar wird nur im Masterstudiengang Geschlechterstudien/Gender Studies im Modul 2 (Wissen) angeboten.

Die Modulabschlussprüfung (MAP) ist eine Portfolioprüfung.

Die Teilnehmendenzahl ist begrenzt. Daher ist eine Anmeldung bis Semesterbeginn erforderlich unter sekretariat.lembke@rewi.hu-berlin.de. Bitte teilen Sie in Ihrer Mail die folgenden Angaben mit: Name, Matrikel-Nr., Studienfach, Semester und Titel des Seminars.

Der Kurs ist hier in AGNES einsehbar.