Humboldt-Universität zu Berlin - Fachschaftsrat Jura

Corona - Situation

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Berlin, den 29. März 2020

 

Statement des Fachschaftsrates  zur aktuellen Situation an der Universität im Hinblick auf die Corona - Krise

 

Sehr geehrter Herr Dekan Prof. Heger,
Sehr geehrter Herr Studiendekan Prof. Thiessen,
Sehr geehrter Herr Böhme,
Sehr geehrte Professor*innen und Mitarbeiter*innen der Juristischen Fakultät,

die COVID-19-Pandemie stellt uns vor große Herausforderungen, die wir nur gemeinsam bewältigen können. Schon jetzt ist klar, dass wir im kommenden Sommersemester Neuland betreten werden. Wir alle werden uns daher anpassen müssen und sollten uns auf tiefgreifende Veränderungen einstellen.

Zunächst einmal wollen wir uns für die flexible und umsichtige Reaktion der Humboldt-Universität zu Berlin und der Juristischen Fakultät auf die durch die Pandemie hervorgerufenen Maßnahmen bedanken. Hierzu zählt insbesondere die zügige Schließung der Universitätsgebäude, um der weiteren Ausbreitung des Coronavirus entgegenzuwirken sowie die Verlängerung der Abgabefristen für die Hausarbeiten und Studienarbeiten.

Wir, der Fachschaftsrat 2019/2020 und der Fachschaftsrat 2020/2021, schließen uns dem Standpunkt des Präsidiums in der Presseveröffentlichung und in der E-Mail vom 26.03.2020 
(https://www.hu-berlin.de/de/pr/coronavirus-informationen/corona/praesidentin-zu-den-aktuellen-herausforderungen-fuer-die-lehre) in dem Punkt an, dass das kommende Semester, entgegen der Forderungen einiger Professor*innen, kein reines Nicht-Semester werden soll. Allerdings ergeben sich verschiedene Anforderungen und Problemstellungen, die bei der Planung des Semesters aus unserer Sicht berücksichtigt werden müssen. 

Bezogen auf die Hausarbeiten bitten wir darum, die widrigen Bedingungen in der Bewertung zu berücksichtigen. Ohne einen Zugang zu Spezialliteratur ist die Anfertigung zwar möglich, jedoch deutlich erschwert. Hier vertrauen wir auf das Verständnis derjenigen, die die Lösungsskizzen angefertigt haben und bitten um einen entsprechenden Hinweis an die Korrektor*innen. Darüber hinaus bitten wir dringlichst darum, eine Abgabe per E-Mail zu ermöglichen. Nicht jede*r Student*in hat die Möglichkeit, zu Hause zu drucken und die Copy Shops sind derzeit bis auf weiteres geschlossen. In der aktuellen Lage ist es angebracht, Kontakt zu anderen Menschen so weit wie möglich zu vermeiden. Ein unnötiger Gang zu Bekannten zum Ausdrucken der Arbeit oder zur Post weniger ist ein weiterer Baustein dafür, die Ausbreitung des SARS-CoV-2 Virus so weit wie möglich einzudämmen. Hier ist es tunlich, die formellen Hürden weitestgehend abzubauen. Unsere Studierenden dazu zu zwingen, sich der Gefahr einer Ansteckung auszusetzen, ist unserer Ansicht nach unverhältnismäßig.

Im Hinblick auf die vorgezogenen Studienarbeiten der Studierenden im 5. Fachsemester fordern wir, die Abgabefristen wie bei Bachelor- und Masterarbeiten bis zur Wiedereröffnung der Bibliotheken zu hemmen. Im Gegensatz zur Anfertigung von Hausarbeiten benötigt das Erstellen einer Studienarbeit deutlich mehr Spezialliteratur und gerade für Studierende mit Themen, die nur mittelbar mit Recht zu tun haben, ist die Quellenlage trotz des Zugangs zur Beck-eLibrary prekär. Darüber hinaus bekommen wir aus der Studierendenschaft weiterhin die Rückmeldung, dass der Zugang zur Beck-eLibrary bei einigen derzeit immer noch nicht freigeschaltet wurde. Insbesondere da die Studienarbeit anteilig in die Examensnote mit einfließt, sollte die Juristische Fakultät der Humboldt-Universität hier ihrem wissenschaftlichen Anspruch gerecht werden und den Studierenden die Anfertigung qualitativ hochwertiger Studienarbeiten ermöglichen. Die Möglichkeit, ohne Nachteile von der Studienarbeit zurückzutreten, begrüßen wir zwar, jedoch reicht diese vorliegend nicht aus, da einige ihre Pflichtpraktika im Sommer bereits geplant oder bereits viel Zeit und Arbeit in die Studienarbeit investiert haben, bevor die Bibliotheken geschlossen wurden.

Betreffend der Klausuren zum Ende des Sommersemesters fordern wir Sie dazu auf, die Schwierigkeiten für uns Studierende zu berücksichtigen. Ein, zumindest zur Hälfte, digitales Semester stellt uns vor die Herausforderung, die für jeden individuell bewährten Lernmethoden zu verwerfen und neue Lernstrategien zu entwickeln. Auch hat nicht jede*r die gleichen technischen Möglichkeiten und ein gutes Lernumfeld zu Hause. Die Umstellung von einem weitestgehend analogen hin zu einem digitalen Lehrbetrieb darf so wenig wie in der aktuellen Lage nur möglich in einer Ungleichbehandlung der Studierenden münden. Die ohnehin bestehenden sozialen Gräben dürfen durch diese Krise nicht weitergehend verstärkt werden. Hierauf muss stets ein besonderes Augenmerk liegen. Die Universität muss sich dieser Verantwortung annehmen. Deshalb fordern wir, das „Schieben“ der Klausuren im Sommersemester ohne dadurch entstehende Nachteile zu ermöglichen und die gleichen Klausuren erneut zum Ende des Wintersemesters anzubieten. So kann jede*r Student*in den jeweiligen Studienverlauf an die individuell vorliegenden Herausforderungen anpassen, um diese Krise mit möglichst geringen Einbußen zu bewältigen. 
Allgemein weisen wir darauf hin, dass die Lage von benachteiligten Gruppen wie Studierenden mit Kind, Studierenden, die Angehörige pflegen und Studierenden mit schlechtem Internetzugang bei der Planung des nächsten Semesters ausreichend berücksichtigt werden muss.
Insbesondere möchten wir darauf hinweisen, dass es für die Durchführung des Sommersemesters essentiell ist, dass ein flächendeckender Zugang zu Lehrbüchern garantiert wird. Studierende, die sich eigene Lehrbücher nicht leisten können, müssen zumindest über die Beck-eLibrary oder einer Ausleihmöglichkeit bei der Bibliothek - sofern diese geschlossen bleibt -  weiterhin im Stande sein mit Lehrbüchern Vorlesungen vor- und nachzubereiten oder sich den Stoff eigenständig zu erarbeiten.

Wir werden uns als Fachschaftsrat der HU gemeinsam mit der Fachschaftsinitiative der Freien Universität Berlin als Länderfachschaft Berlin auch an das GJPA wenden. Dabei möchten wir Sie um Unterstützung bitten: Wir fordern das GJPA dazu auf, das kommende Sommersemester aus der Berechnung des Freischusses herauszunehmen. Aufgrund der Änderungen in der Lehre und der Methodik, mit der bis mindestens der Hälfte des Semesters zu rechnen ist, können keine gleichberechtigten Studienbedingungen für alle Studierenden garantiert werden. Es dürfen daher keinerlei Nachteile für diejenigen Studierenden entstehen, für die ein Studium unter den gegebenen Umständen im gewohnten Umfang unzumutbar ist. Die individuellen Studienlaufbahnen der Studierenden dürfen in keinem Fall Opfer der neuartigen, noch zu erprobenden digitalen Methoden sein.
Wir wären Ihnen sehr dankbar, wenn Sie sich gemeinsam mit uns gegenüber dem GJPA dafür einsetzen würden.

Schließlich möchten wir Sie ebenfalls dazu auffordern, sich gemeinsam mit uns beim GJPA dafür stark zu machen, dass die neuen Termine der verschobenen Examensklausuren frühzeitig auf einem der Lage entsprechend vertretbaren Zeitpunkt festgesetzt werden, sodass die Examenskandidat*innen bald Klarheit haben, was ihre Vorbereitung anbetrifft. Wir schließen uns in diesem Punkt den Forderungen des Bundesverbands rechtwissenschaftlicher Fachschaften e.V. an.
(https://bundesfachschaft.de/wp-content/uploads/2020/03/2020-03_PM-Examenstermine.pdf)

Darüber hinaus möchten wir uns als Fachschaftsrat gerne mit lösungsorientierten Vorschlägen für einen bestmöglich funktionierenden Ablauf des kommenden Sommersemesters einbringen.

Sollten wir also mit dem zu erwartenden Szenario konfrontiert werden, dass die staatlichen Maßnahmen in den nächsten Wochen und Monaten nicht gelockert werden und die Tore der HU daher weiterhin geschlossen bleiben müssen, werden keine Lehrveranstaltungen wie gewohnt stattfinden können. Um, im Sinne der Studierenden und des Präsidiums der HU, das kommende Semester jedoch nicht als sogenanntes Nicht-Semester werten zu müssen, sollte auf neue, digitale Wege der Stoffvermittlung zurückgegriffen werden.

Uns ist wichtig, dass die Lehrveranstaltungen so nah wie möglich an der Realität, wie wir sie aus den Universitätsräumen kennen, durchgeführt werden. Für den weiterhin bestmöglich gewährleisteten Lerneffekt der Studierenden sind sowohl auditive als auch visuelle Komponenten didaktisch essentiell.

Nimmt man dies als Fundament weiterer Überlegungen an, sehen wir daher die geeignetste Methode darin, Lehrveranstaltungen als Videokonferenzen bzw. Webinare durchzuführen. Auf hierin spezialisierten Plattformen wird ein digitaler Raum zur Verfügung gestellt, der durch ein festgelegtes Passwort geschützt werden kann. Das Passwort kann über Moodle in die entsprechenden Kurse hochgeladen werden, sodass von Seiten der Dozent*innen kontrolliert werden kann, wer Zugang zu dem jeweiligen digitalen Raum erhält. Durch verschiedene Instrumente wie begleitende PowerPoint-Präsentationen, Audienz-Umfragen sowie einer Raise-Hand-Funktion wird ein interaktives Miteinander zwischen Lehrkraft und Studierenden, welches wir ausdrücklich fordern, weiterhin gewährleistet und eventuelle Fragen können direkt und für alle Teilnehmer*innen geklärt werden. Sowohl die auditive als auch die visuelle Komponente wird hierdurch erfüllt. In Skandinavien wird diese Art der digitalen Lehrvermittlung bereits seit einigen Jahren erfolgreich durchgeführt. Dort werden aktuell Plattformen wie Blackboard oder Microsoft Teams verwendet. Auch Plattformen wie Zoom sind derzeit international gefragt und könnten auch an der HU zur Anwendung kommen.

Für den Fall, dass im Rahmen von Lehrveranstaltungen mit einer sehr hohen Anzahl von Teilnehmer*innen eine Videokonferenz bzw. ein Webinar nach Erprobung aufgrund von begrenzter Kapazität nicht durchgeführt werden kann, fordern wir, dass Professor*innen den Lehrstoff stattdessen als Podcast aufnehmen und zur Verfügung stellen, sodass zumindest ein auditives Lernen aus dem Home Office heraus möglich ist.

Auch Videokonferenzen bzw. Webinare sollten aufgezeichnet und on-demand, d.h. jederzeit ortsungebunden über Moodle abrufbar sein, um größtmögliche Flexibilität in dieser weiterhin dynamischen Lage zu ermöglichen. Das dient nicht zuletzt etwa der Erleichterung von Studierenden mit Kindern, die zu dieser Zeit vor besonderen Herausforderungen stehen.

Wir möchten die Professor*innen zudem ausdrücklich dazu ermutigen, ihre aufgezeichneten Lehrveranstaltungen auch öffentlich zur Verfügung zu stellen, um nicht nur HU-Studierenden, sondern auch bundesweit Studierenden der Rechtswissenschaften in dieser für alle gleichsam erschwerten Zeit unter die Arme zu greifen. Wir alle sitzen im selben Boot und sollten uns über Universitätsgrenzen hinweg solidarisch in unseren Möglichkeiten unterstützen. 

Nicht zuletzt ist bei der Umstellung auf neue, digitale Plattformen wichtig, dass Dozent*innen mit der Bewältigung der neuen Aufgaben nicht alleine gelassen werden. Hilfestellungen seitens der HU in Form von entsprechenden Schulungen sind hierbei zwingend erforderlich. Auch muss Dozent*innen ermöglicht werden, entsprechende Probedurchgänge durchführen zu können, bevor die erste Videokonferenz mit den Studierenden stattfindet. Das dient nicht nur dazu, dass Dozent*innen eine gewisse Sicherheit im Umgang mit den ihnen auferlegten Plattformen gewinnen, sondern auch, dass sichergestellt wird, dass die Qualität der Lehrveranstaltungen der HU im Sinne der Studierenden erhalten bleibt und ein bestmöglich funktionierender und dadurch professioneller Ablauf gewährleistet wird.

Wir sehen, dass die aktuelle, durch COVID-19 bedingte, Krise die Universität vor große Herausforderungen stellt. Wir hegen großes Vertrauen darin, dass die Universität, die Juristische Fakultät und die ihr angehörigen Studierenden die bevorstehenden Hürden gemeinsam bewältigen werden und diese Zeit nutzen, um stärker zusammenzuwachsen. Insbesondere sehen wir die Umstellung auf ein digitales Semester auch als eine große Chance, die Digitalisierung an der Juristischen Fakultät voranzubringen und wünschen uns, dass die getroffenen Maßnahmen die Lehre in Zukunft strukturell und nachhaltig verändern und bereichern. 

Wir freuen uns weiterhin auf eine konstruktive Zusammenarbeit im Sinne aller Statusgruppen. Bleiben Sie gesund!

Mit freundlichen Grüßen

Der Fachschaftsrat 2019/2020 und der Fachschaftsrat 2020/2021