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Humboldt-Rede zu Europa von Wopke Hoekstra, Finanzminister der Niederlande



Foto: Elke A. Jung-Wolff

Wopke Hoekstra, Finanzminister der Niederlande, sprach am 07. Mai 2019 im Senatssaal der Humboldt-Universität zu Berlin zum Thema „Ein neues und besseres Europa. Für eine widerstandsfähige und wohlhabende Union der Gegenseitigkeit“. In seiner Rede legte er seine Vorstellung eines Europas des 21. Jahrhunderts dar, appellierte aber auch an Deutschland, eine aktivere Rolle bei der Gestaltung der europäischen Zukunft einzunehmen

Wopke Hoekstra hat eine besondere Verbindung zu Berlin: Zwei Jahre lang lebte er in der Hauptstadt. Diese Verbundenheit merkt man dem Niederländer an, als er Anfang Mai seine Humboldt-Rede auf Deutsch hält. Neben dieser Verbundenheit ist es aber gerade seine Einstellung als überzeugter Europäer, die die Zuhörerinnen und Zuhörer seiner Rede klar entnehmen können. Er liebe Europa, aber gerade aus diesem Grund mache er sich Sorgen um die Zukunft der Europäischen Union. Diese Sorgen beziehen sich insbesondere auf die Gewährleistung der Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger der EU, das uneinige Agieren auf geopolitischer Ebene und die mangelnden Investitionen in Künstliche Intelligenz und Big Data – die „Wirtschaft der Zukunft“. Er denke nicht, dass die EU auf eine mögliche nächste Wirtschaftskrise ausreichend vorbereitet sei. Auch anderen externen Herausforderungen wie Erderwärmung und Migration könne die EU momentan nicht effektiv begegnen.

Aber auch innerhalb der EU gibt es Grund zur Sorge: Es bestehe die Gefahr einer Implosion, wenn Mitgliedsstaaten wie Großbritannien die Gemeinschaft verlassen und andere „demokratische, wohlhabende und gleichgesinnte“ Länder der EU nicht beitreten oder den Euro nicht einführen wollen.

Foto: Elke A. Jung-Wolff

Dieser „Schwarzmalerei“, wie er es selbst bezeichnet, setzt Hoekstra seine Vorstellung vom Europa des 21. Jahrhunderts entgegen:

Notwendig sei erstens eine grundlegende Prioritätenneuordnung.

Zuerst nennt er in diesem Zusammenhang die europäische Verteidigungszusammenarbeit als Teil der NATO. Weiter sei es entscheidend, bei geopolitischen Fragestellungen an einem Strang zu ziehen und so Ländern wie Russland und China etwas entgegensetzen zu können. Zudem müsse der EU-Haushalt stärker auf einen wirksamen Schutz der Außengrenzen ausgerichtet werden. Eine gemeinsame Vorgehensweise sei auch bei der Klimapolitik und Nachhaltigkeits- und Energiefragen unabdingbar. Konkret spricht Hoekstra hier unter anderem von der Einführung einer europäischen Flugsteuer.

Neben der Neuordnung der Prioritäten müsse es zweitens zu einer „Rückkehr der Gegenseitigkeit“ kommen.

Hoekstra fordert, dass Länder, die Reformen nicht durchführen, EU-Mittel nicht sachgerecht ausgeben und den Stabilitäts- und Wachstumspakt nicht einhalten, keinen Anspruch mehr auf europäische Gelder haben. „Rosinenpickerei“ dürfe nicht länger erlaubt sein: Länder, die von den Vorteilen des Binnenmarktes profitieren wollen, müssen sich auch an der Bewältigung der Migrationskrise beteiligen. Zudem müssen die Werte der Union beispielsweise anhand von Zugangssperren zu europäischen Geldern und zum Schengenraum verteidigt werden. Hoekstra spricht von einem „modernen Europa der Rechte und Pflichten“.

Er beendet seine Rede mit weiteren Forderungen: So soll es einen neuen EU-Kommissar für Cybersicherheit geben, Wachstumshemmnisse im Binnenmarkt sollen durch Harmonisierung nationaler Regelungen und durch Anpassung von Vorschriften an das digitale Zeitalter beseitigt werden und die europäische Kapitalmarktunion und die Bankenunion sollen ausgebaut und vertieft werden.

 

Für Hoekstra steht es außer Frage, dass Europa bei dem sich vollziehenden Wandel von einer multilateralen in eine multipolare Welt mitreden muss. Hierbei wünscht er sich gerade von Deutschland, dass es seine Zurückhaltung ablegt und eine ähnliche Rolle wie Frankreich einnimmt. Dabei würden die Niederlande „als Nachbarland, Partner und guter Freund“ gerne unterstützend tätig werden.

 

Im Anschluss an die Rede bestand die Möglichkeit zur Diskussion mit Minister Hoekstra.

Text: Isa Klinger

 

Der Redetext kann unter https://www.rijksoverheid.nl/ministeries/ministerie-van-financien/documenten/toespraken/2019/05/07/humboldt-rede-zu-europa-uitgesproken-door-minister-hoekstra abgerufen werden.