Humboldt-Universität zu Berlin - Walter Hallstein-Institut

Humboldt-Rede zu Europa von Bundesfinanzminister Olaf Scholz



Olaf Scholz BMF

„Ein starkes, ein souveränes, ein gerechtes Europa liegt in unserem ureigenen Interesse“, so schon der Titel der Humboldt-Rede zu Europa des Vizekanzlers Olaf Scholz am 28. November 2018. In seiner Rede betonte Vizekanzler Scholz, dass die Politik Visionen brauche, gleichzeitig aber auch konkrete Antworten liefern müsse auf die Frage, wie es weitergehen soll. Die EU und der „European Way of Life“ seien mehr als nur ein gemeinsamer Binnenmarkt, denn der „Sieg von Demokratie und Rechtstaat“ wie auch die gemeinsamen Werte und Vorstellungen bildeten das eigentliche Fundament Europas. Europa sei zudem „das wichtigste nationale Anliegen“ Deutschlands. Man muss daher die Europäische Union stärken, nach außen wie nach innen. „Die Europäische Union muss politischer werden“, so Scholz, denn die wesentlichen Herausforderungen, vor denen die EU und ihre Mitgliedstaaten stünden, setzten eine politische Debatte voraus. Viele Bürger jedoch trauten der EU solche politischen Debatten im Moment nicht zu. „Sie empfinden die EU als zu schwach, um die wirklich wichtigen Herausforderungen anzugehen“, erörterte der Finanzminister. Er forderte daher, dass eine Streitkultur in einem politischen Europa entstünde. Die „27 nationalen Monologe“ müssten durch eine europäische Öffentlichkeit ersetzt werden. Im Anschluss wurde der Vizekanzler konkreter. Mit Blick auf die europäische Steuerpolitik müsse man die Steuervermeidung durch ein internationales Mindestniveau der Besteuerung bekämpfen. Auch würde er die Vorschläge der Europäischen Kommission für eine gemeinsame Bemessungsgrundlage für die Körperschaftsteuer unterstützen. Die französische Version der Finanztransaktionssteuer europaweit einzuführen, würde auch er befürworten. Man brauche aber gleichzeitig ein soziales Europa. Einen europäischen Rechtsrahmen für Mindestlöhne und Grundsicherungssysteme halte er unbedingt für nötig. Nach dem Brexit würde der Euro und somit auch die Europäische Zentralbank noch mehr an Einfluss gewinnen. Daher müsse man den nächsten Schritt wagen und sie zu einer demokratisch legitimierten und parlamentarisch kontrollierten Institution umformen. Die Bankenunion müsse man durch einen gemeinsamen Abwicklungsfonds weiter stärken, den Europäischen Stabilitätsmechanismus zu einem Europäischen Währungsfonds weiterentwickeln. Auch um den menschengemachten Klimawandel aufzuhalten, müsse man international kooperieren, betonte Scholz. So seien EU-Regelungen im Bereich des Umweltschutzes eine Frage „kluger Industriepolitik“. Mit Blick auf die stets wachsenden außenpolitischen Herausforderungen brauche man eine gemeinsame außenpolitische Richtung in Europa. Daher befürworte er nicht nur den Vorschlag des Außenministers Maas, das Einstimmigkeitsprinzip im Außenministerrat stark einzuschränken, sondern schlage auch vor, den Sitz Frankreichs im UN Sicherheitsrat in einen EU-Sitz umzuwandeln. Es mache ebenfalls wenig Sinn, im Bereich der Verteidigungsindustrie „ungefähr 180 unterschiedliche Waffensysteme zu haben“. Dies sei „ineffizient und überflüssig“, so der Vizekanzler. Daher müsse man ein einheitliches Design, einheitliche Anforderungen und gemeinsame Herstellung fordern. Auch die Idee gemeinsamer europäischer Streitkräfte nannte Scholz als langjähriges Ziel.

Gegen Ende seines Vortrages betonte Olaf Scholz noch einmal die besondere Verantwortung, die Deutschland für das Gelingen des europäischen Projektes zukomme. Es verbiete sich daher jede belehrende Attitüde gegenüber den mittel- und osteuropäischen genauso wie gegenüber den südeuropäischen Ländern. „Man müsse manchmal auch etwas großzügiger sein als die anderen, denn kein Land profitiere so viel von diesem einheitlichen Europa wie Deutschland“.

Im Anschluss seiner Rede kam es während einer kleineren Diskussionsrunde zu einem regen Austausch zwischen Studierenden der juristischen Fakultät und dem Vizekanzler.

 

Text: Kalojan Hoffmeister