Humboldt-Universität zu Berlin - Antisemitismus und Justiz

Workshop Sommerakademie FonA21

Interaktiver Workshop

Antisemitismus und Rechtssystem

Herausforderungen der rechtlichen Erfassung und Bekämpfung von Antisemitismus, insbesondere Barrieren der Rechtsmobilisierung

Die (rechts-)staatliche Bekämpfung von Antisemitismus erscheint gerade vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte, aber auch der aktuellen Erscheinungsformen von Antisemitismus und deren erheblicher Zunahme als dringend gebotene staatliche Aufgabe. Das Grundgesetz selbst ist in weiten Teilen als explizite Antwort auf den staatlichen Terror im nationalsozialistischen Deutschland und insbesondere die Entrechtung und Vernichtung der europäischen Jüdinnen und Juden zu verstehen. Ebenso wie viele Landesverfassungen sieht es die Bekämpfung von Antisemitismus aber auch als aktuelle Aufgabe an. Immer wieder betonen Bundesregierung, Bundestag und Bundesverfassungsgericht sowie andere staatliche Stellen deren fundamentale Bedeutung und die Verantwortung aller staatlichen Stellen.

Dennoch gibt es bislang nur wenig Rechtsmobilisierung gegen Antisemitismus. Betroffene scheinen das Recht selten in Anspruch zu nehmen und mit den Resultaten wenig zufrieden zu sein. Auch aus Rechtswissenschaft und in gesellschaftlichen sowie politischen Diskursen gibt es Kritik am rechtlichen Umgang mit Antisemitismus durch staatliche Stellen. Einige Gerichts- und Behördenentscheidungen der letzten Jahre sind sehr umstritten. Auch die geringe Zahl von erfolgreichen rechtlichen Maßnahmen gegen Antisemitismus wirft angesichts der steigenden Zahl von gemeldeten antisemitischen Vorfällen Fragen auf.

Problematisch scheint zu sein, dass Antisemitismus im Rechtsdiskurs oft auf die historische Perspektive verengt und mit Rechtsextremismus oder Nationalsozialismus gleichgesetzt wird. Auch scheint das Recht eher von denen mobilisiert zu werden, denen Antisemitismus vorgeworfen wird, als von denen, die davon betroffen sind. Da (insbesondere israelbezogener) Antisemitismus als „kontrovers“ gilt, wird der Meinungsfreiheit häufig ein absoluter Vorrang gegeben. Und viele rechtliche Möglichkeiten wie bspw. im Recht der öffentlichen Medien oder im Antidiskriminierungsrecht werden kaum genutzt.

Der interaktive Workshop möchte anhand einiger Fallkonstellationen die Herausforderungen der rechtlichen Erfassung und Bekämpfung von Antisemitismus diskutieren. Welche Formen von Antisemitismus werden als rechtlich relevant (an)erkannt, bei welchen gelingt dies seltener und warum? Was kann Recht gegen Antisemitismus leisten und wo kommt es an seine Grenzen? Was behindert eventuell den Zugang zum Recht, woran scheitert erfolgreiche Rechtsmobilisierung? Gibt es wesentliche Unterschiede zwischen den einzelnen Rechtsgebieten, Behörden und Gerichtszweigen – und was könnte das für die Praxis bedeuten?

 

Der Workshop findet im Rahmen der Sommerakademie 2023 des Forschungsnetzwerks "Antisemitismus im 21. Jahrhundert" statt. Programm und Anmeldung: https://www.fona21.org/sommerakademie-2023