Humboldt-Universität zu Berlin - Walter Hallstein-Institut

Tätigkeitsberichte

Einleitung des WHI-Tätigkeitsberichts 2024 von Prof. Dr. Matthias Ruffert (Auszug):

 

Als das Walter Hallstein-Institut für Europäisches Verfassungsrecht vor nunmehr 27 Jahren gegründet wurde, standen Europa und sein Recht im Mittelpunkt der öffentlichen Diskussion. Dies hat sich auch über viele Jahre so gehalten – zunächst in der Debatte um einen Verfassungsvertrag, die nach den gescheiterten Volksabstimmungen in Frankreich und den Niederlanden in den Vertrag von Lissabon mündete, sodann in der Staatsschuldenkrise und der Diskussion um Rettungsschirme und Anleihekäufe.

Vordergründig ist das heute nicht mehr so. Der französische Präsident, der noch mit konkreten europapolitischen Vorschlägen gestartet war (formuliert auch in seiner Humboldt-Rede im Januar 2017), sieht sich einer schwierigen Regierungssituation gegenüber. Die Ampel-Regierung in Deutschland, die nach der Entlassung des Bundesfinanzministers und der gescheiterten Vertrauensfrage an ihr Ende gekommen ist, hatte unter ihren Plänen für den Fortschritt nur wenige mit genuin europäischem Bezug; jedenfalls fällt einem unter der überschaubaren Zahl erreichter Zielen keines ein, das speziell der Weiterentwicklung der Europäischen Union zuzuordnen wäre. Die Konferenz zur Zukunft Europas und der Vorschlag des Europäischen Parlaments für eine Vertragsreform sind merkwürdig wirkungslos geblieben. Die allgemeine Öffentlichkeit hat davon praktisch keine Notiz genommen. Die Neuwahl des Europäischen Parlaments und die Investitur der Kommission haben in vergangenen Jahren schon einmal mehr Staub aufgewirbelt. Einzig der EuGH füllt seine Rolle als „Motor der Integration“ (so auch der Titel der Humboldt-Rede von Frau Generalanwältin Juliane Kokott) aus und scheint die Unionsrechtsordnung um die Werte des Art. 2 EUV neu zu bauen, wenngleich die mündliche Verhandlung im spektakulären Verfahren gegen Ungarn zum Verbot bestimmter Inhalte in Schulbüchern und Medien in der öffentlichen Diskussion keine beherrschende Rolle spielen.

Gibt dies Anlaß zur Sorge? Gewiß, daß Europa und sein Recht in der großen Politik so wenig Interesse hervorrufen, läßt sich kaum schönreden. Und wer Europarecht lehrt, findet auf Anhieb eine Fülle von Regelungen, die dringend der Reform bedürften. Auch ist fraglich, ob es gerade die Judikative sein soll, die die fundamentalen Weichenstellungen vornimmt. Aber vielleicht ist die geringe Sichtbarkeit der Europäischen Union auch ein Zeichen für ihre Funktionstüchtigkeit. Die Zeit der Beschäftigung mit sich selbst in endlosen Vertragsreformdebatten ist vorbei. Das Binnenmarktrecht ist erfolgreich („Brussels effect“) und öffnet sich neuen Heraus- forderungen – DSA, DMA, KI-Verordnung. Auf die Bedrohung aus Moskau reagiert die EU mit Sanktionen, einer kraftvollen neuen Außenbeauftragten und nicht zuletzt der Finanzierung von Militärhilfe für die Ukraine im zweistelligen Milliardenbereich. Die vielschichtige Herausforderung durch den neuen alten Präsidenten der USA wird sie ebenfalls mit ihren institutionellen Möglichkeiten begegnen müssen.

Ob das Glas für den Europarechtler also halb voll oder halb leer ist, läßt sich nicht leichthin feststellen. In diesem kurzen Vorwort kann es offen bleiben. Im Namen aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter lade ich Sie ein, sich ein Bild von der Aktivität unseres Instituts im vergangenen Jahr zu machen. Ich würde sagen, es lohnt sich. Und ich kann Ihnen versichern: wir machen in gleicher Weise weiter, ob die Europäische Union und ihr Recht nun im Vordergrund der öffentlichen Debatte stehen oder im Hintergrund für Frieden, Freiheit und Wohlstand in Europa sorgen.

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