Humboldt-Universität zu Berlin - DynamInt

Konferenz: Follow the Money? – Die europäische Integration im Spiegel der Finanzverfassung


9. - 10. Juni 2022

 

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Am 9. und 10. Juni 2022 fand die zweite von DynamInt ausgerichtete Konferenz an der Humboldt-Universität zu Berlin statt. Thema war „Follow the Money? – European Integration in Light of EU Budgetary Law”. Auf den Panels der von Dr. Ruth Weber konzeptionierten Konferenz diskutierten Jurist:innen, Ökonom:innen, Politikwissenschaftler:innen und Historiker:innen. Darüber hinaus nahmen über 70 Wissenschaftler:innen, Praktiker:innen und Studierende verschiedener deutscher und internationaler Universitäten und Institutionen virtuell und vor Ort teil.

Im Rahmen der Vorträge und Paneldiskussionen bot die zweitägige Konferenz den Teilnehmenden die Möglichkeit zum Austausch über die wirtschaftliche und rechtliche Entwicklung der europäischen Finanzverfassung. Die Frage nach der Zukunft der unionalen Finanzarchitektur stellt sich in besonderem Ausmaß seit Verabschiedung des Wiederaufbaufonds NextGenerationEU im Jahr 2020, der erstmals zu einer Verschuldung in großem Umfang auf europäischer Ebene führte. Die Bedeutung der Wirtschafts- und Finanzverfassung für die europäische Integration bildete den verbindenden Punkt der verschiedenen Panels. In insgesamt vier thematischen Blöcken trugen 13 Panelist:innen ihre Standpunkte vor. Schwerpunkt des ersten Konferenztages waren historische sowie gegenwärtige Phänomene der europäischen Finanzarchitektur. Am zweiten Konferenztag blickten die Diskutant:innen stärker auf zukünftige Entwicklungen.

 

Der erste Konferenztag begann mit Panels zu möglichen Konstruktionsfehlern der Europäischen Währungsunion. Prof. Dr. Paul De Grauwe (London School of Economics and Political Science) analysierte die Fragilität der Eurozone und präsentierte Ideen zur Weiterentwicklung der Eurozone aus wirtschaftswissenschaftlicher Perspektive. Sir Paul Tucker (Harvard Universität) beleuchtete die für eine Zentralbank ungewöhnliche Rolle der EZB in der EU-Finanzpolitik und argumentierte, es gehe ihr nicht vorherrschend um die Bekämpfung der Inflation, sondern um andere Ziele wie die Bewahrung der Eurozone.

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Im folgenden historisch ausgerichteten Panel benannte Prof. Dr. N. Piers Ludlow (London School of Economics and Political Science) budgetpolitische Entscheidungen als wichtige Integrationstreiber in den 1980er Jahren, während Dr. Christian Neumeier (Humboldt-Universität zu Berlin) die sich in diesem Jahrzehnt herausbildenden Gründe für die Einführung einer Währungsunion ohne gleichzeitige fiskalische Integration erläuterte. In der anschließenden Diskussion zogen verschiedene Teilnehmende Parallelen zur heutigen Situation der EU.

 

Panel 3_de Gregorio Merino.pngPanel 3_Nguyen.pngAm Nachmittag ging es schwerpunktmäßig um die rechts- und wirtschaftswissenschaftliche Einordnung der finanzpolitischen Entscheidungen der EU zur Bewältigung der Coronapandemie. Alberto de Gregorio Merino (Direktor beim Juristischen Dienst des Rats der Europäischen Union) präsentierte seine Perspektive auf NextGenerationEU und den Rechtsstaatsmechanismus, welche Dr. Thu Nguyen (Jacques Delors Centre, Hertie School) um eine Übersicht über die Koordination der europäischen Wirtschaftspolitik nach der Aufbau- und Resilienzfazilität und deren Verknüpfung zum Europäischen Semester ergänzte.

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In ihrer rechtlichen Einschätzung von NextGenerationEU bekundete Prof. Dr. Claudia Wutscher (Wirtschaftsuniversität Wien) Zweifel an der Vereinbarkeit mit EU-Recht, insbesondere vor dem Hintergrund des beispiellosen Volumens des Aufbauinstruments. Prof. Dr. Charles Wyplosz (The Graduate Institute, Genf) hinterfragte kritisch die ambitionierten Ziele des Programms mit Hinblick auf seine Erfolgsaussichten aus einer wirtschaftswissenschaftlichen Perspektive.

 

Panel 5_Leino-Sandberg.pngDas Thema des dritten thematischen Blocks, der am zweiten Konferenztag stattfand, war die Rolle von wirtschaftlichen Krisen als Wendepunkte für die europäische Integration. Prof. Dr. Thomas Biebricher (Copenhagen Business School) zog Parallelen zwischen der politischen Theorie des Neoliberalismus und der Entwicklung der EU. Prof. Dr. Päivi Leino-Sandberg (Universität Helsinki) zeigte auf Grundlage ihrer rechtlichen Analyse finanzpolitische Perspektiven für die EU jenseits akuter Krisenbewältigung auf. Prof. Dr. Claire Mongouachon (Universität Paris Nanterre) präsentierte einen französischen Vorschlag für eine neue Struktur der Europäischen Währungsunion.

 

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Der vierte und letzte Teil ging der Frage nach, in welchem Verhältnis die europäische Integration zum Budgetrecht und zur Wirtschafts- und Finanzpolitik steht. Laut Prof. Dr. Luuk van Middelaar (Leiden Universität) lässt die gegenwärtige Politik der EU eine mögliche Entwicklung hin zu einem „strategic spending“ erkennen, das auf eine stärker politische Union hinweist. Prof. Dr. Frank Schorkopf (Georg-August-Universität Göttingen) attestierte dem Budget- und Finanzverfassungsrecht der Union einen Integrationsüberschuss: Er stellte Parallelen zu den Entwicklungen der 1970er Jahre her und fragte insbesondere nach der Rolle des Europäischen Parlaments in Bezug auf die Budgethoheit.

 

Die Freude darüber, wieder vor Ort miteinander ins Gespräch zu kommen, war groß. Das aktuelle Thema der Konferenz und die verschiedenen fachlichen Perspektiven und Herangehensweisen führten zu intensiven und leidenschaftlich geführten Diskussionen zwischen den Teilnehmenden. Die Diskussionen der Panels setzten die Teilnehmenden vor Ort in den Pausen sowie bei einem gemeinsamen Restaurantbesuch am Donnerstagabend fort.

Auch über die Veranstaltung hinaus wurde das Thema im Fachdiskurs rezipiert. So berichtete Maximilian Steinbeis auf dem Verfassungsblog über die Konferenz. Über die geplante Veröffentlichung der Konferenzbeiträge in einem Sammelband wird auf dieser Homepage informiert.

Für weitere Informationen siehe auch die Ankündigung und das Programm.