Humboldt-Universität zu Berlin - Forschungsinstitut für Völker- und Europarecht

Wettbewerb 2000 in Berlin

Beitrag von Franz Wegener in »Juristische Schulung« (JuS), Heft 5/2000, S. IX

Nachdruck mit Genehmigung des Verfassers

Vom 3. bis 6. Februar 2000 sind in Berlin die diesjährigen Konkurrenten im Philip C. Jessup-Völkerrechtswettbewerb aufeinandergetroffen. Zu der Ausscheidung auf der nationalen Ebene des internationalen Wettbewerbs waren zehn Fakultäten angetreten: aus Berlin die Freie und die Humboldt-Universität, ferner Erlangen-Nürnberg, Frankfurt/Oder, Göttingen, Heidelberg, Jena, Kiel, Trier und Tübingen.  Der Jessup-Wettbewerb, ältester und bedeutendster internationaler Wettbewerb im Völkerrecht, hat in Deutschland eine inzwischen über zwanzigjährige Tradition. Im Jahr 1977 beteiligte sich die Universität Tübingen als erste deutsche Universität. Seit 1978 wird eine deutsche Ausscheidung veranstaltet, um die Teilnehmer an der internationalen Endrunde zu bestimmen, die alljährlich anlässlich des Jahrestreffens der »American Society of International Law« ausgetragen wird.

Gestritten wurde vor dem simulierten Internationalen Gerichtshof um medizinische Experimente an Menschen im gedachten Entwicklungsland »Senhava« und die Rolle des mächtigen Industrielandes »Kuraca«, das Interesse an einem Impfstoff gegen ein HIV-ähnliches Virus hat – und natürlich darum, welche Mannschaft zum internationalen Finale nach Washington würde fliegen dürfen. Als Court Rooms dienten Seminarräume der Humboldt-Universität im Berliner Dom.
Der von der »International Law Students' Association« in Washington, D.C., ausgegebene Fall ist für alle rund 350 Teams aus 70 Ländern gleich. Jedes Jahr, wenn Ende September der Sachverhalt an die Universitäten geht, beginnt die aufwendige Arbeit an den »Memorials«, den Schriftsätzen. Außerdem werden die »Pleadings«, die Plädoyers der mündlichen Verhandlung vorbereitet. Dabei muss jedes teilnehmende Team abwechselnd sowohl in die Rolle des Klägers als auch in die des Beklagten schlüpfen. Gerichtssprache ist Englisch, und so holen sich fast alle Mannschaften englische Muttersprachler, oft Austauschstudenten, in ihr Boot.

Ausgerichtet hat den diesjährigen Wettbewerb das Institut für Völker- und Europarecht an der Humboldt-Universität unter der Leitung von Prof. Dr. Christian Tomuschat und dem »National Administrator« des Wettbewerbs, Dr. Bardo Fassbender.  Unterstützt wurde die Veranstaltung durch die studentische German Moot Court Society und finanziert durch Beiträge der Robert-Bosch-Stiftung (Stuttgart), der Körber-Stiftung (Hamburg) sowie namhafter Anwaltskanzleien. Die Gastgeber hatten renommierte Juristen auf die Richterbank gebeten: Dr. Carl-August Fleischhauer (Richter am Internationalen Gerichtshof, Den Haag) als "President" sowie als weitere Richter Dr. Arthur Appleton (Lalive & Partners, Genf), Dr. Reinhard Hilger und Hans-Peter Kaul (Auswärtiges Amt, Berlin), Dr. Hans-Günther Nordhues (Ashurst Morris Crisp, Frankfurt/Main), Prof. Dr. Stefan Oeter (Universität Hamburg), Dr. David Rai? (Universität Leiden), Dr. Kerrin Schillhorn (Redeker Schön Dahs Sellner, Bonn) sowie Prof. Dr. Bruno Simma (Universität München).

Die Richter machten es den »Oralists«, den Plädierenden am Rednerpult, nicht leicht: Die Prozessvertreter mussten sich vielen unerwarteten Fragen der strengen »Judges« stellen. Dabei beschränkten sich die Richter nicht nur auf völkerrechtliche Fragen, sondern prüften auch angrenzende Rechtsgebiete. Die in dem Wettbewerb gestellten Fälle sind so komplex, dass in jeder der drei »Instanzen« (preliminary rounds, semi-finals, final) wieder neue Probleme aufgeworfen werden können. Trotzdem wird in der Sache kein Urteil gefällt. Schlagfertigkeit, sicheres Auftreten und überzeugende Argumentation sind die entscheidenden Bewertungskriterien. Neben dem Völkerrecht steht denn auch die Vermittlung rhetorischer Fähigkeiten jenseits des universitären Alltags im Mittelpunkt des Wettbewerbs.

In den USA sind Moot Courts viel verbreiteter als an deutschen Hochschulen. An vielen US-Universitäten sind eigene Übungs-»court rooms« eingerichtet. Und viele der dortigen Law Schools nehmen nicht nur an einem oder zwei, sondern regelmäßig an einem halben Dutzend Moot Courts in allen Rechtsgebieten teil. Die in den USA größere Bedeutung rhetorischer Fähigkeiten beim Auftritt vor Gericht ist natürlich auch auf Unterschiede zum deutschen Rechtssystem zurückzuführen. Hierzulande muss keine Jury mit flammenden Plädoyers überzeugt werden.  »Judge« David Rai berichtete, an der Universität Leiden sei das »Mooting« für jeden Jurastudenten als fester Bestandteil der Ausbildung verpflichtend. Auch würden diese Praxisübungen mit Videoaufzeichnungen analysiert. Diese intensive Moot-Court-Praxis würden nun auch andere niederländische Universitäten übernehmen.

Dass Moot Courts in Deutschland bislang weit weniger populär sind als in anderen Ländern, liegt aber vor allem daran, dass die Studienten meist ein ganzes Semester zu Vorbereitung investieren müssen. Vor dem Hintergrund des »Freischusses« sind dazu nur wenige bereit. Einzig die Kieler haben es diesbezüglich besser: In Schleswig-Holstein kann für den Moot Court die Freischuss-Frist um ein halbes Jahr verlängert werde. Eine Initiative der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht soll eine Verlängerung der Frist jetzt auch in anderen Bundesländern möglich machen. Das Berliner Justizprüfungsamt prüft nach eigenen Angaben derzeit schon eine solche Regelung.

Auch, dass das Völkerrecht weniger »examensrelevant« erscheint als das BGB und Strafrecht, mag etliche Studenten von einer Teilnahme am Jessup Moot Court abhalten. Doch das Rechtsgebiet ist durchaus gefragt: Dr. Hilger, Leiter der Unterabteilung Völkerrecht des Auswärtigen Amtes, wies bei einem Empfang für die Teilnehmer der Wettbewerbs im Reichstagsgebäude ausdrücklich darauf hin, dass das Auswärtige Amt stets qualifizierte Völkerrechtler mit guten Sprachkenntnissen suche. Auch Dr. Nordhues betonte die Bedeutung von Fremdsprachen und internationaler Erfahrung, die gerade bei Völkerrechtlern ausgeprägt seien, für die Arbeit seiner Kanzlei.

Die Mitglieder der zehn deutschen Teams – es überwog in diesem Jahr das weibliche Geschlecht – hatten sich vom Arbeitsaufwand und Examensüberlegungen nicht abhalten lassen. Sechs bis zehn Stunden täglich haben sie in den letzten Wochen vor dem Wettbewerb in die Vorbereitung investiert. Für die Heidelberger hat sich diese Investition mit Rang Eins für die »overall performance« für die Mannschaft sowie mit der Auszeichnung »Best Oralist« an das Teammitglied Verena Wiesner ausgezahlt. Das Erfolgskonzept? Der »team spirit« sei es gewesen. Die Sieger können sich jetzt ein Jahr lang an dem in Berlin neu eingeführten Wanderpokal erfreuen. Dem Sieger der letzten zwei Jahre, dem Team der Humboldt-Universität, war die Enttäuschung über den zweiten Platz deutlich anzumerken. Auf den weiteren Plätzen der Gesamtwertung folgen Kiel und Göttingen. Preise für den besten Schriftsatz (»Best Memorial«) gingen in dieser Reihenfolge an Heidelberg, Kiel und die Humboldt-Universität. Beim internationalen Finale in Washington Anfang April wird aber auch für die Heidelberger wohl ganz bescheiden gelten müssen: »Dabeisein ist alles«. Denn ein deutsches Team hat in der Geschichte des Wettbewerbs noch nie gewonnen.

stud. iur. Franz Wegener, Berlin

National Administrator:

Dr. Bardo Fassbender
Humboldt-University Berlin

Lauri Mälksoo
Assistant to the Administrator

German Moot Court Society:

Max von Bismarck
President

Kathrin Gehm
Vice President

Bettina Rahn

Judges:

Dr. Arthur Appleton
Lalive & Partners, Geneva

Judge Dr. Carl-August Fleischhauer
International Court of Justice, The Hague

Dr. Reinhard Hilger
Auswärtiges Amt, Berlin

Hans-Peter Kaul
Auswärtiges Amt, Berlin

Dr. Hans-Günther Nordhues
Ashurst Morris Crisp, Frankfurt (Main)

Prof. Dr. Stefan Oeter
University of Hamburg

David Raic
University of Leiden

Dr. Kerrin Schillhorn
Redeker Schön Dahs Sellner, Bonn

Prof. Dr. Bruno Simma
University of Munich

Participating Teams:

Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
Coach: Nicolas Johnson
Members: Ursula Blanke, So-Nyeo Bühlow, Arzu Erdogan, Phillip Wood

Eberhard-Karls-Universität Tübingen
Coach: Dr. Stefan Talmon
Members: Christopher Green, Bettina Hahn, Bettina Kilian, Alexander Rehs, Georgios Stergion

Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder)
Coach: Carmen Thiele
Members: Fadime Akay, Michal Deja, Kristina Pavel, Tomasz Pyrkowski, Jan-Alfred Sobcza

Freie Universität Berlin
Coach: Ulrich Forsthoff
Members: Georgia Karasioton, Jenni Lawson, Mairi McMartin, Antje Müller

Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
Coach: Francis Henry
Members: Karl Andrew, Eva Gasparino, Simon Kaufmann, Frank Lagies, Andrea Ruppert

Friedrich Schiller Universität Jena
Coach: Sharon Byrd
Members: Anne Daut, Konrad Kessler, Uta Kessler, Cornelia Pagel, Jessica Schmidt

Georg-August-Universität Göttingen
Coach: Kai Schollendorf
Members: Elke Hofmeister, Christina Muender, Roland Otto, Isabel Pantke

Humboldt-Universität zu Berlin
Coach: Georg Reichel
Members: Leonie von Braun, Danka Flaschar, Fabian Kiderlen, Max Kirchner, Rebecca Townsend

Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg
Coach: Kerstin Mechlem
Members: Michael Adam, Markus Benzing, Ralf Reusch, Roland Stein, Verena Wiesner

Universität Trier
Coach: Sandra Häring
Members: Malte Beyer, Lasia Bloß, Boris Gehrke, Lena Kilee, Boris Schlütter

Results of the Preliminary Rounds:

1. Team 330 - Heidelberg (1655 raw points)

2. Team 331 - Humboldt-University Berlin (1537)

3. Team 336 - Göttingen (1517)

4. Team 334 - Kiel (1498)

5. Team 333 - Tübingen (1455)

6. Team 335 - Trier (1450)

7. Team 328 - Free University Berlin (1443)

8. Team 329 - Jena (1399)

9. Team 332 - Erlangen-Nürnberg (1382)

10. Team 327 - Frankfurt (Oder) (1374)

Results of the Semifinals:

1. Team 330 - Heidelberg (1510 raw points)

2. Team 331 - Humboldt-University Berlin (1466)

3. Team 334 - Kiel (1361)

4. Team 336 - Göttingen (1325)

Results of the Finals:

1. Team 330 - Heidelberg (3011 raw points)

2. Team 331 - Humboldt-University Berlin (2905)

Final Results:

1. Team 330 - Heidelberg

2. Team 331 - Humboldt-University Berlin

3. Team 334 - Kiel

4. Team 336 - Göttingen

5. Team 333 - Tübingen

6. Team 335 - Trier

7. Team 328 - Free University Berlin

8. Team 329 - Jena

9. Team 332 - Erlangen-Nürnberg

10. Team 327 - Frankfurt (Oder)

Best Memorial:

1. Team 330 - Heidelberg (533 points)

2. Team 334 - Kiel (525)

3. Team 331 - Humboldt-University Berlin (512)

4. Team 333 - Tübingen (509)

5. Team 336 - Göttingen (498)

6. Team 332 - Erlangen-Nürnberg (483)

7. Team 327 - Frankfurt (Oder) (450)

8. Team 329 - Jena (442)

9. Team 328 - Free University Berlin (407)

10. Team 335 - Trier (336)

Best Oralists:

1. Verena Wiesner (Heidelberg) (293 points)

2. Michael Adam (Heidelberg) (290)

3. Jenni Lawson (Free University Berlin) (286)

4. Markus Benzing, Team 330 (280)

5. Elke Hofmeister, Team 336 (277)

6. Roland Otto, Team 336 (275)

7. Rebecca Townsend, Team 331 (270)

8. Jessica Schmidt, Team 329 (269)

9. Georgia Karasioutou, Team 328 (265)

10.-11. Leonie von Braun, Team 331 (263)

10.-11. Arzu Erdogan, Team 334 (263)

12. Lena Kilee, Team 335 (262)

13. Anne Daut, Team 329 (261)

14. Mairi McMartin, Team 328 (260)

15. Roland Stein, Team 330 (259)

16. Christopher Green, Team 333 (258)

17. Boris Gehrke, Team 335 (252)

18. Danka Flaschar, Team 331 (251)

19. Malte Beyer, Team 335 (250)

20. Isabel Pantke, Team 336 (245)

21.-22. So-Nyeo Bühlow, Team 334 (242)

21.-22. Boris Schlütter, Team 335 (242)

23.-24. Fabian Kiderlen, Team 331 (241)

23.-24. Andrea Ruppert, Team 332 (241)

25. Ursula Blanke, Team 334 (240)

26. Tomasz Pyrkowski, Team 327 (239)

27. Kristina Pavel, Team 327 (237)

28. Alexander Rehs, Team 333 (235)

29.-30. Bettina Kilian, Team 333 (228)

29.-30. Philip Wood, Team 334 (228)

31.-33. Eva Gasparino, Team 332 (225)

31.-33. Bettina Hahn, Team 333 (225)

31.-33. Antje Müller, Team 328 (225)

34.-35. Fadime Akay, Team 327 (223)

34.-35. Michal Deja, Team 327 (223)

36.-37. Uta Kessler, Team 329 (222)

36.-37. Christina Muender, Team 336 (222)

38. Karl Andrew, Team 332 (217)

39. Frank Lagies, Team 332 (216)

40. Konrad Kessler, Team 329 (205)